Die zitternde Kammer | haus harig | Sammlung und Projektraum

Alfred Heth
Alfred Heth
Alfred Heth
Alfred Heth

Die Zitternde Kammer


Seit 1998 ist es Tradition im Hause Harig, den Freundeskreis jährlich mit einem neuen Kunstprojekt zu konfrontieren.

Der Blick auf das ganze Kollektiv: ‚Die Zitternde Kammer‘ ist nun nicht zu jedem Termin möglich. Deshalb beginne ich mit einer kurzen Vorstellung. Es hilft vielleicht, die Vielfalt der Eindrücke zu sortieren.

Nschotschi Haslinger ist die Malerin der Gouache mit dem Untertitel: ‚Mutter, Kinder, Wildschweine‘, die Besuchern schon vor einigen Jahren an unserer Wohnzimmerwand auffiel und häufig nachgefragt wurde. Dazu kam etwas später die Gouache ‚Moor‘, die im Eingangsbereich zu sehen ist.
Nach intensiven Gesprächen im Berliner Atelier von Nschotschi Haslinger über die Erweiterung ihres künstlerischen Ausdrucks ins Objekt, vor allem in die keramische Umsetzung von Füßen und Schuhen als Standortbestimmung und Stellvertreterfunktion der nicht sichtbaren Persönlichkeit, und nach Besichtigung der sich ständig verdichtenden Kunstobjekte in unserem Haus in Hannover – Tendenz moderne Wunderkammer – wurde die Keimzelle für das Künstlerinnen-Kollektiv ‚Die Zitternde Kammer‘ gelegt.
Die Frage nach Beteiligung der befreundeten Kollegin Monika Michalko mit ihren Malerei- und Raumkonzepten stellte sich sofort, als bekennende Paul-Klee-Anhängerin wurde ich von ihren Farb- und Formideen berührt.
Die Ergänzung des Trios durch Anna Steinert mit einem Schwerpunkt auf experimentellem Film erfolgte wenig später, die Gestaltung mit grotesken Masken und phantasievollen Kostümen überhöht in ihren Videos das Geschehen zu übersinnlichen Wahrnehmungen.

Grundsätzlich kann man bei allen drei Künstlerinnen formal und inhaltlich Gemeinsamkeiten feststellen: die Malerei als Ausgangspunkt, die Erweiterung in skulpturale, objekthafte Ausdrucksformen, Erfahrungen in Performances und resultierende Videos. Der Ausdruck aber und die Wahl von Material, Farbe und Form fällt nun je besonders aus, und diese Besonderheit ist in Beispielen auch in der Fülle der Objekte in der kleinen Halle zu finden.

Nennen wir es einen Bausatz, was sich jede der Künstlerinnen an eigenen Ausdruckformen erarbeitet hat. Aus diesem Reservoir nahm nun jede reichlich ‚Klötzchen‘, um ein gemeinschaftliches Werk zu schaffen. Die Präsentation mit dem Titel: ‚We come as Friends‘ ist das Ergebnis eines wunderbaren Zusammenspiels der – meistens - im Gleichklang gestaltenden Persönlichkeiten, der Rausch der Farben und Materialien, vor allem aber die Anhäufung und Verdichtung mitgeführter und gefundener Objekte – zugegebenermaßen auch aus meinem Sammelsurium – zu einem Ort mit skurriler und surrealer Atmosphäre. Beim Aufbau gedrehte Filmszenen wurden zu einem begleitenden Video geschnitten, integriert in die Installation läuft es in einem kurzen Loop.
So präsentiert sich nun der schon mal als ‚Schuhkarton‘ gescholtene kleine White Cube im Garten als Wunderkammer, darin eingebaut ein Wunderkammerzelt aus den fantasievoll zusammengesetzten Stoffbahnen und Teppichen von Monika Michalko als Farb- und Formspiel ohnegleichen, bewacht von Fabelwesen und Masken, bestückt mit Gemälden und Objekten der drei Künstlerinnen.
Die Besucher sollten sich vorsichtig in der Ausstellung bewegen, sie können die kleine Stufe zum Zelteingang nehmen und das Innere der Höhle betrachten. Dort werden sie die Vibration erleben, die von dem Gespinst der schwebenden und verspannten Objekte ausgeht, das Zittern der Kammer, dem das Kollektiv den Namen verdankt.

Die Reaktion auf das Wahrnehmen und Erleben können die Besucher vertiefen durch Einblick in vorhandene Publikationen, auch die Lebensläufe der Künstlerinnen liegen zur Durchsicht bereit.

Für mich war das Einlassen auf dieses Projekt ein großes Abenteuer, selbst bei Kenntnis der Einzelpositionen war das Ergebnis nicht vorauszusehen, über lange Zeit hieß der Arbeitstitel: ‘Ich weiß nicht, was es wird‘.
Die Zeiten des Aufbaus ließen einen großen Gleichklang bei der Gestaltung und Spielfreude spüren, und ich bin sicher, die Künstlerinnen werden zum ersten, aber sicher nicht zum letzten Mal als ‚Zitternde Kammer‘ mit gemeinschaftlichem Werk an die Öffentlichkeit treten.

Aus der Begrüßung Herbst 2015, Gerlinde Harig